18.05.21 Richard Pitterles Stellungnahme zur Haushaltsverabschiedung:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich fange mit dem Positiven im Haushalt an. Das ist die Fortsetzung der Investitionen, beispielsweise in die Sportstätten oder das ehemalige Jugendheim in Maichingen. Trotzdem muss künftig eine Priorisierung der Investitionen stattfinden.

Alle Jahre wieder haben wir die Situation, dass wir einen Haushalt mit einem strukturellen Defizit verabschieden müssen. Er ist dennoch genehmigungsfähig, weil wir das Defizit aus den Rücklagen zahlen können. Wenn wir uns die Struktur des Ergebnishaushalts anschauen, dann stellen die Personalkosten den größten Posten bei den Ausgaben dar, daher ist es naheliegend, dass man auf die Idee kommen kann, an diesen Posten anzusetzen, wenn es heißt, wir müssten sparen. Die Verwaltung beschäftigt die Menschen unseres Erachtens nicht zum Selbstzweck oder weil sie nicht weiß, wie sie das Geld ausgeben soll. Zum einem werden den Kommunen vom Land und Bund Aufgaben übertragen, die nur durch konkretes Personal erledigt werden können. Zum anderen gibt es Verpflichtungen aus dem eigenen Anspruch eine familienfreundliche, eine bürgerfreundliche, sportfreundliche, bauherrenfreundliche, europafreundliche Kommune zu sein, den der Gemeinderat selbst formuliert hat. Dieser Anspruch zieht auch konsequenterweise den Vorhalt von ausreichenden Personal nach sich.

Wenn die Übertragung von zusätzlichen Aufgaben bzw. zusätzlichen gesetzlichen Anforderungen durch die Landesregierung/Bundesregierung nicht mit entsprechend ausreichenden finanziellen Mitteln für die Kommunen einhergeht, dann sollten sich die Freunde aus CDU, SPD und Grünen, die diese Regierungen stellen, mit ihren Parteifreunden in Land und Bund darüber unterhalten wie das zu ändern wäre, statt vor Ort die Beschäftigten die Unterfinanzierung ausbaden zu lassen.
Wir glauben nicht, dass die Beschäftigten überbesetzt sind und lehnen daher Einsparungen beim Personal ab. Das heißt selbstverständlich nicht, dass es nicht Potentiale für mehr Effizienz gäbe, die man nutzen könnte. Aber wir brauchen keine weiteren befristeten Stellen in der Verwaltung, wie von der CDU gestern gefordert, die letztlich zu mehr Fluktuation und dadurch Unterbrechungen von Projekten führen.

Wer Personaleinsparungen fordert, soll konkret sagen, welche Dienstleistungen für die Bürgerschaft wegfallen sollen und muss auch bereit sein, dafür die politische Verantwortung zu übernehmen. Da lobe ich mir die FDP, ohne dass ich mir deren Forderung nach Streichung von 16 Erzieherinnenstellen zu eigen mache, aber die FDP sagt wenigstens offen, was sie will und dazu kann man sich verhalten. Andere Fraktionen rufen nach Sparen beim Personal, aber werden nie konkret, möglicherweise wollen sie den schwarzen Peter dafür auf die Verwaltung abschieben, aber das empfinde ich als eine Flucht vor politischer Verantwortung.

Ein strukturelles Defizit kann man auch durch höhere Einnahmen reduzieren.

Da hat die Bundesregierung einmal daran gedacht, dass viele Kommunen durch die Corona-Situation in Schieflage durch Steuerausfälle stecken und hat deswegen ermöglicht, dass die Kommunen von bisher 380 bis zu 400 Punkten den Gewerbesteuersatz anheben können, ohne dass dies den Mittelstand (der zum größten Teil aus Personengesellschaften besteht) belastet, weil diese die gezahlte Gewerbesteuer auf die Einkommenssteuer anrechnen können. Jetzt kommen Sie mir aber nicht wieder mit den Ein-Mann-GmbHs. Auch für die Kapitalgesellschaften wurde im Rahmen des zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes der Freibetrag für die existierenden Hinzurechnungen im Sinne des § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) von aktuell 100.000 Euro auf zukünftig 200.000 Euro verdoppelt.

Daimler zahlt für das Jahr 2020 Riesendividende an die Aktionäre, nachdem er vorher auf Steuerzahlerkosten Millionen Kurzarbeitergeld kassiert hatte, aber die Mehrheit des Gemeinderats hat nicht den Mut davon etwas für die Allgemeinheit abzugreifen.

Aber der Mut den Eltern der Kita-Kinder in die Taschen zu greifen ist bei CDU und Freien Wählern, aber auch den Grünen, die diesen erst zu einer Mehrheit verholfen haben, vorhanden.  Die Kitas sind keine Verwahranstalten mehr, sie sind Bestandteil der Bildung, daher müssen sie wie Schulen und Hochschulen gebührenfrei sein, das ist und bleibt unser Credo. Daher ist mit uns schon keine Gebührenerhöhung zu machen.

In der Corona-Krise gab es Gewinner und Verlierer.

Statt das Geld bei den Gewinnern zu holen, holt es die Mehrheit des Gemeinderats bei den Verlierern. Sie holen es bei den Eltern, die aufgrund der Kurzarbeit mit 60 % des Nettoeinkommens auskommen mussten, die ein Kind in der Kita haben und ein anderes in der verlässlichen Grundschule, die kassieren Sie mit höheren Gebühren ab. Die Eltern müssen dank Ihnen jetzt an den Vermieter eine höhere Miete zahlen, weil dieser die von ihnen beschlossene Grundsteuer-Erhöhung abwälzen wird. Die Eltern überlegen sich, ob sie sich noch leisten können mit den Kindern ins Bad, dessen Gebühren steigen, zu gehen und sollten sie zur Freude der Kinder sogar einen Hund haben, so werden sie überlegen, ob sie ihn nach der Erhöhung der Hundesteuer noch halten können. Jede einzelne Erhöhung für sich mag verträglich sein, in der Summe ist sie es nicht. Das finden wir sozial ungerecht. Daher ist dieser Haushalt, auch wenn er von der Verwaltung vorgeschlagen wurde, der Haushalt der Mehrheit des Gemeinderats, sozial ungerecht, familienfeindlich und verdient unsere Zustimmung nicht.